Schloss Deutschkreutz vor ungewisser Zukunft

von | Nov 27, 2018 | Archiv

Anton Lehmden mit seinen Werken / Fotos: A.Z. (3), Tesch (5)

Schloss Deutschkreutz vor ungewisser Zukunft

von | Nov 27, 2018 | Archiv

Im vergangenen Sommer ist der berühmte Maler Professor Anton Lehmden verstorben. Er hinterlässt viele wertvolle Kunstwerke und das Schloss Deutschkreutz. Wer erbt? Was planen die Erben? Kann das Schloss der Öffentlichkeit erhalten bleiben? Hans Tesch hat recherchiert.

In der Jugendstilkirche am Wiener Zentralfriedhof findet Anfang August die feierliche Einsegnung von Anton Lehmden statt. Der berühmte Mitbegründer der Kunstrichtung des Phantastischen Realismus, der bis zuletzt in seinem Schloss in Deutschkreutz gelebt hat, ist 89-jährig in Wien verstorben. Tiefe Betroffenheit, vor allem bei seinen Hinterbliebenen.

Der Trauerzug bewegt sich zum Platz mit den Ehrengräbern – des Künstlers letzte Ruhestätte. Hinter dem Sarg seine Ehefrau Helene und deren gemeinsame Kinder Helene, Barbara, Sophia, Stephan und Katharina. Nur Tochter Maria hat gefehlt. Es sind aber auch „seine“ Kinder dort: Nora, Lydia und Anton. Ein außerehelicher Sohn, Roman, ist bereits verstorben.

11 Erben also? Barbara Lehmden, die Tochter, die sich jahrelang um den Vater und mit ihm um das Schloss in Deutschkreutz gekümmert hat, gibt ihren Wissensstand von Anfang November bekannt. Der vom Gericht bestellte Notar habe noch keine Sitzung einberufen. Aus ihrer Sicht hatte der Vater kein Testament verfasst und eine Vorabfindung von Kindern nicht vorgenommen. Und soweit ihr bekannt, gibt es von keinem Erbberechtigten einen Verzicht auf die Erbschaft.

Im Sinne des Künstlers

Wenn auch kein letzter Wille schriftlich vorliegt, der Künstler hat oft darüber gesprochen, was er sich wünscht. Barbara Lehmden: „Ich will das Erbe im Sinne unseres Vaters weiterführen. Ich möchte im nächsten Jahr wieder von Mitte Mai bis Mitte September das Deutschkreutzer Schloss für Besucher öffentlich zugänglich machen.“ Sie spricht vom Museum Schloss Deutschkreutz, zu dem auch eine exklusive Galerie gehört, in der sehr viele Werke Anton Lehmdens ausgestellt sind.

Deutschkreutz will helfen

Die Gemeinde Deutschkreutz wolle alles tun, damit das Schloss geöffnet bleibt. Es wäre schade, wenn dieses Baujuwel des Mittelburgenlandes als touristisches Aushängeschild des Ortes nicht mehr öffentlich zugänglich wäre, erklärt Bürgermeister und Landtagsabgeordneter Manfred Kölly: „Die Gemeinde wird die Familie nicht im Stich lassen.“ Derzeit wende die Gemeinde 25.000 Euro im Jahr für das Schloss auf und übernehme zudem Arbeiten wie Rasenmähen und Baumschnitt. Kölly könnte sich vorstellen, dass sich das Schloss noch mehr öffnet: „Es könnte ein Ganzjahres-Museum sein, ein Ort, an dem Veranstaltungen und Konzerte, speziell auch Goldmark-Konzerte, stattfinden und wo es einmal Schlossspiele gibt, wie in Kobersdorf.“

Der Bürgermeister kann sich vieles vorstellen

Gute Ideen und viel Geld sind jetzt gefragt. Bürgermeister Kölly zeigt ein Konzept her: „Es gibt einen konkreten Plan für den Bau eines Wellnesshotels in der Nähe des Schlosses; die Investoren kommen aus dem arabischen Raum.“ Man sollte – so Kölly – nicht vergessen, dass bei Bohrungen vor 30 Jahren unter Deutschkreutz Thermalwasser gefunden wurde.

Schwieriges Erbe

Pläne, wie es mit dem Schloss weitergehen soll, hat die Familie nicht, jedenfalls nicht öffentlich gemacht. Die erste Zusammenkunft aller Erben könnte etwas Klarheit oder zumindest eine erste Aussprache bringen, meint Barbara Lehmden. Sie habe durch ihre Präsenz im Schloss Deutschkreutz die größte Nähe zum Vater gehabt. Ihr sei aber bewusst, dass nicht alle Erben denselben emotionalen Zugang dazu haben, das Schloss beziehungsweise das Museum weiterzuführen.

Hofrat Dipl.-Ing. Alfred Gmeiner, der langjährige Deutschkreutzer Intimus des Schlossherren, weiß, was Lehmden im Sinn hatte: „Er wollte seine eigenen Werke im eigenen Schloss präsentieren. Und Mittelaltermusik aufspielen lassen. Für das Erbe eine Stiftung zu machen, dafür hat er sich zwar interessiert, die Entscheidung aber immer hinausgeschoben. Auch ein Konzept für ‚Mozart-Festspiele‘ mit Aufbauten für 700 Besucher im Schlosshof hat Lehmden abgelehnt.“

Was sind Kunst und Schloss wert?

Wenn es viele Erben gibt, besteht die Gefahr, dass man sich nicht einigen kann, was mit der Hinterlassenschaft passieren soll. Die Lösung könnte sein, dass alles verkauft und der Erlös dem Gesetz entsprechend aufgeteilt wird. Zu verkaufen wären dann jedenfalls viele wertvolle Bilder und Kunstgegenstände und das Schloss Deutschkreutz. Aber was ist das alles wert?

Dr. Frederik Lehner, Galerist in Wien und Betreiber eines Auktionshauses, rät zu einem sinnvollen Management des Nachlasses. Der finanzielle Wert sei sehr schwierig zu ermitteln. Wenn schon verkauft werden muss, dann sollte das sehr langsam und selektiv geschehen, erklärte der Galerist gegenüber BURGENLAND MITTE: „Anton Lehmden ist vor allem am österreichischen Auktionsmarkt präsent, wo seine Gemälde durchschnittlich für ca. 10.000 Euro ersteigert werden und damit noch weit unter den Galeriepreisen liegen. Der derzeitige Rekord für eines seiner Bilder liegt bei etwa 34.000 Euro.“ Erben warnt Frederik Lehner vor einem groben Fehler: „Es gibt in jeder Sammlung ein paar echte Highlights. Diese muss man sich sofort sichern, dokumentieren und erst einmal zur Seite legen. Es gibt viele ‚Jäger‘, die es genau auf die abgesehen haben – und sind die einmal weg, ist die Sammlung wertlos.“

Und noch schwieriger dürfte der Wert des – vor knapp 400 Jahren erbauten – Renaissance-Schlosses zu ermitteln sein. Alexander Kurz, Chef der Immobilienkanzlei Salzburg, die unter Österreichs Schlossanbietern als führend gilt, kennt das Lehmden-Schloss nicht, weiß aber, welche Kriterien bei einem Verkauf zählen: „Entscheidend für den Erlös sind eine schöne Lage, die Nähe zu einer Stadt, was der Käufer damit machen kann und was er damit machen will. Und natürlich macht es auch einen Unterschied, ob jemand eine Million oder 10 Millionen erlösen will.“ Oft sei aber nicht einmal der Preis das Thema. „Wichtiger und schwieriger ist es, dass man überhaupt jemanden findet, der es will. Ein Schloss ist immer ein Liebhaberobjekt. Einen Interessenten zu finden ist ein Kunststück“, meint der Immobilien-Spezialist im Gespräch mit BURGENLAND MITTE.

Viele Gerüchte

Wo ein Wille ist, muss noch kein Weg sein. Die Deutschkreutzer machen sich Gedanken über die Zukunft ihres „Wahrzeichens“. Einige erzählen, es gäbe sehr wohl ein aussagekräftiges Testament von Professor Lehmden. Andere erwähnen ein Gerücht über einen bekannten Österreicher aus der Motorsportbranche. Dieser soll ein Investor mit einem Vermögen von mehreren hundert Millionen Euro sein – und am Schloss Interesse haben.

Doch jetzt sind erst einmal die Erben am Zug. Deutschkreutz wäre es zu wünschen, dass nach dem Tod von Anton Lehmden zumindest dessen Vermächtnis weiter am Leben bleibt.

Anton Lehmden.
Der Phantastische Realist

Geboren am 2. 1. 1929 in Cabaj bei Nitra, Westslowakei – verstorben am 7. 8. 2018 in Wien

Ab 1945

Studium an der Akademie der bildenden Künste Wien

Ab 1949

zahlreiche Ausstellungen in Kunstzentren weltweit, u. a. Teilnahme an den Biennalen von Venedig und in Sao Paolo

1962 bis 1963

Lehrtätigkeit in Istanbul

1971 bis 1997

Professor an der Akademie der bildenden Künste Wien

Gestalter der Kirche des St. Georg-Kollegs in Istanbul und der U-Bahn-Station Volkstheater in Wien

1966

Kauf des Schlosses Deutschkreutz; zeitlebens Renovierungsarbeiten

1978

Österreichisches Ehrenkreuz I. Klasse für Wissenschaft und Kunst

1999

Ehrenbürgerschaft von Deutschkreutz

2001

Umgestaltung der Pfarrkirche Deutschkreutz

Seit 2005

 „Lehmden-Sommerakademie“ im Schloss Deutschkreutz

Das Schloss Deutschkreutz beherbergt heute das „Lehmden-Museum“.

Anton Lehmden war einer der Mitbegründer der auch international berühmten „Wiener Schule des Phantastischen Realismus“. Er verehrte die chinesische Landschaftsmalerei und schuf in seinen Bildern immer wieder lyrische Bezüge. Seine Landschaften erscheinen fragmentiert, schwebend, berstend und in Schichten aufgebrochen, immer in Bewegung. Anders als seine Kollegen in der neuen Wiener Schule – Arik Brauer, Ernst Fuchs, Wolfgang Hutter und Rudolf Hausner – malt Lehmden bevorzugt vom Surrealismus geprägte Weltlandschaften und setzt dabei auf erdtönige und reduzierte Farben. Naturkatastrophen und seine traumatischen Kriegserlebnisse verarbeitet Lehmden in Bildern wie „Panzerschlacht“.

Quelle: u. a. S. 13 Tiefdruckwerkstatt, Akademie der bildenden Künste Wien

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