Fery Keinrath mit den Wurfdosen, die er von seinem Schwiegervater Ignaz Hirsch jun. geschenkt bekommen hat / Fotos (4): Pastorek
Kaum ein Gewerbe hat in den letzten Jahrzehnten so einen massiven Wandel wie das der Schausteller erlebt. Auch heuer geht’s am Rummel bereits rund, und die Saison läuft schon auf Hochtouren. BURGENLAND MITTE hat sich in Deutschkreutz informiert, viel Wissenswertes erfahren – unter anderem auch, dass die Schaustellerfamilien Keinrath, Hirsch und Gager allesamt einen gemeinsamen Vorfahren haben: Ignaz Hirsch sen.
Dass Schausteller heute andere Geräte als vor 50 Jahren brauchen, um Menschen zu unterhalten, liegt nicht nur an der allgemeinen Entwicklung. Sondern auch daran, dass gerade Jugendliche – also die Hauptkundschaft – durch „Kinocenter, Internet, Handy und Freizeitangebote ganzjährig mit Unterhaltung eingedeckt sind. Früher war der Kirtag ein Highlight“, erzählt Doris Keinrath, Tochter von Fery und Hertha Keinrath, und Urenkelin von Ignaz Hirsch sen.
Klassiker
Typisch für jeden Kirtag ist das Autodrom. Monika Hirsch hat 17-jährig in die Schaustellerfamilie Hirsch eingeheiratet. Das Autodrom ist seither ihr Arbeitsplatz. „Seit mein Mann in Pension ist, sind wir nicht mehr jede Woche auf einem Kirtag. Wir machen nur mehr, was Spaß macht, und schlafen jeden Tag zu Hause. Früher sind wir Freitag mit dem Wohnwagen losgefahren und Montag wieder heimgekommen. Sehr familienfreundlich war das nicht. Zu Schul- und Kindergartenfesten musste immer die Oma hin“, erzählt die 58-Jährige. Einzugsgebiet ist jetzt hauptsächlich das mittlere Burgenland. Was der zweifachen Mutter und Oma von zwei Mädchen und Zwillingsbuben noch immer ganz besonders gut an ihrer Arbeit gefällt, ist der Kontakt mit der Jugend, immer die neueste Musik zu spielen und unter der Woche daheim sein zu können.
Saisonstart ist bei Deutschkreutzs Schaustellern immer Ostern, und im Wochentakt geht es dann von Kirtag zu Kirtag. Für die Schaustellerfamilie Gager endet die Saison stets zu Martini, dann noch ein Weihnachtsmarkt in Mattersburg und Rust mit dem Kinderkarussell. Dieses hat sich ebenfalls als Klassiker etabliert, ebenso wie die Schiffschaukel. Während der Saison ist Familie Gager hauptsächlich im Burgenland anzutreffen, vereinzelt auch in Wien, Niederösterreich und der Steiermark. „Auf Kirtagen einen Stellplatz zu bekommen wird zunehmend schwieriger. Die Konkurrenz wird größer, und die Vorschriften werden auch immer mehr“, weiß Verena Gager, Schaustellerin, Berufsgruppensprecherin der burgenländischen Schausteller und Enkelin von Ignaz Hirsch sen. zu erzählen.
Einteilungssache
Und obgleich der Platz auf einem Kirtag für den Umsatz nicht von allzu großer Bedeutung ist, ist es das Wetter ganz bestimmt. Zwei bis drei Ausfälle von 100 %, damit kann man pro Saison rechnen. Aber auch kaltes, kühles oder regnerisches Wetter haben Umsatzeinbußen zur Folge. Ebenso wie sehr heißes Wetter – wenn das Schwimmbad lieber als der Rummel besucht wird. Doch seit jeher wissen sich Schausteller ihren Verdienst einzuteilen – acht Monate Einnahmen reichen schon seit Generationen für zwölf Monate Lebensunterhalt. „Schwierig war es, als wir ein Haus gebaut haben – da lernt man, mit dem Geld hauszuhalten. Aber auch bei Neuinvestitionen muss man sich über zumindest 10 Jahre sein Geld wieder einteilen“, erinnert sich Monika Hirsch. Deshalb stand vor 17 Jahren für Wolfgang und Monika Hirsch aufhören oder Investitionskosten von 300.000 Euro zur Debatte. Die Wahl fiel auf investieren. Es waren viermal so hohe Anschaffungskosten wie beim ersten Autodrom des Schwiegervaters vor 52 Jahren.
Schwierig: Personal finden
Woran die Hersteller von Schausteller-Unterhaltungstechnik – welche aus Italien, Holland, Belgien, England und Deutschland importiert wird – die letzten Jahrzehnte gefeilt haben, ist, den Schaustellern mit immerwährenden technischen Verbesserungen, zwecks einfacherem und vor allem auch schnellerem Auf- und Abbau, das Leben zu erleichtern. Was doppelt gut ist, denn Personal zu rekrutieren ist im Schaustellergewerbe schon sehr lange problematisch. „Jetzt aber müssen Veranstaltungen manchmal schon abgesagt werden, weil kein Personal zu finden ist“, berichtet Monika Hirsch. Hertha Keinrath, die in dieser Branche aufgewachsen ist, dazu: „Jeder will am Wochenende seine freien Tage, das geht in unserer Branche nicht. Und der Kälte sind manche auch nicht gewachsen.“ Im Personalstamm von Familie Keinrath sind deshalb fast nur rumänische Arbeiter zu finden. Saisonende ist bei den Keinraths am 26. Dezember nach dem Christkindlmarkt am Wiener Rathausplatz.
Handwerkliches Geschick
Ist das Gewerbe stillgelegt, beginnt für die Schausteller die Zeit, in der sie Schriftliches, wie z. B. Anträge für Stellplätze bei den Gemeinden und Messeveranstaltern für die nächste Saison, aber auch Reparaturen und Instandhaltungen erledigen. Bei Familie Keinrath sind es Fery und Sven, die mechanische Reparaturen aller Art, auch Schweißarbeiten, durchführen. Bei Familie Hirsch ist es Robert, und bei Familie Gager ist es Franz. „Ein Schausteller muss handwerklich geschickt sein, sonst kann man den Beruf nicht ausüben“, erklärt Monika Hirsch. „Wenn ein Autodrom-Wagerl nicht geht, musst du es selbst reparieren. Da kannst du nicht mit jedem nach Italien fahren“, verdeutlicht sie. Auch werden alle Geräte einmal jährlich von einem Zivilingenieur für fliegende Bauten überprüft. Die sicherheitstechnischen Auflagen sind sehr hoch und sehr streng. Das hat seine Berechtigung, wohingegen andere Vorschriften nicht zu verstehen sind. „Für jedes einzelne Schaustellergerät muss in jedem Bundesland eine eigene Veranstaltungsbewilligung eingeholt werden. Das sind bei uns Burgenland, Wien, Kärnten, Niederösterreich und Steiermark. Und bei einem unserer Geräte, das in Deutschland mit einer TÜV-Zertifizierung gekauft wurde – eine Norm, die für ganz Europa Gültigkeit hat –, braucht man im Bundesland Wien zusätzlich noch einen Zivilingenieur für fliegende Bauten, der das Gerät genehmigt“, erörtert Doris Keinrath.
Leidenschaft und Geschäftssinn
52 Jahre ist Fery Keinrath schon im Geschäft. Vor 22 Jahren bekam er den Kommerzialrat von Bundespräsident Thomas Klestil für besondere Verdienste in der Berufssparte der Schausteller verliehen. Angefangen hat alles 1967 mit Wurfdosen, die er von seinem Schwiegervater Ignaz Hirsch jun. nach seiner Heirat mit dessen Tochter Hertha bekommen hat. Damit waren für den gelernten Maschinenschlosser die Weichen für seine neue berufliche Laufbahn gestellt. Fery Keinrath ist heute wie damals mit sehr viel Engagement und Leidenschaft bei seiner Arbeit: Zum 50-jährigen Jubiläum wurde ein Riesenrad angeschafft. Für Doris und Sven Keinrath gab es in den letzten Jahren ebenfalls Investitionen: Fighter und Piratenbahn. „Man muss schon gut überlegen, in was man investiert – ob es beim Publikum gut ankommt und sich auf 15 Jahre rechnet“, konkretisiert Schaustellerin Doris Keinrath die Investitionspläne der Firma. Zweimal wurden auch schon Geräte wieder zurück- bzw. weggegeben. Eines war technisch nicht ausgereift, und eines wurde weiterverkauft, weil es aufgrund von zu großer Konkurrenz nicht lukrativ genug war.
Abseits der Anschaffungskosten müssen mit den Fahrpreisen natürlich auch noch viele andere Fixkosten gedeckt werden, „daran denken viele nicht, nur dass es viel Geld bringt, wenn das Ringelspiel voll ist“, sagen Schausteller. Platzmiete samt Anschlussgebühren für Elektriker, Vergnügungssteuer, Straßenmaut wie auch Löhne mit Lohnnebenkosten, Diesel für Transporte und Stromaggregate, Neuanschaffungen sowie Instandhaltungskosten müssen natürlich ebenfalls erwirtschaftet werden. Bei Reparaturen von Luftschläuchen können sich diese durchwegs auf 3.000 bis 5.000 Euro belaufen. Dass es heutzutage weniger Kinder gibt als noch vor 50 Jahren, das macht sich für Schausteller bei den Kirtagen auch bemerkbar. „Nikitsch, Oberloisdorf – das waren früher große Kirtage“, informiert Monika Hirsch. Ein anderer Aspekt, der sich für Schausteller bemerkbar macht, ist die Jugendarbeitslosigkeit. „Viele Jugendliche haben kein Geld fürs Ringelspiel“, sagt Herta Keinrath. Das Gegengewicht dazu beschreibt Doris Keinrath: „Manche Familien können sich keine Urlaube leisten und gehen deshalb mit den Kindern einen Tag zum Ringelspiel.“
Erfolgreicher Generationenwechsel
„Die Herausforderung, kurzfristig Lösungen bei auftretenden Problemen und Engpässen zu finden“, das ist es, was Doris Keinrath an ihrem Job ganz besonders mag, und sagt weiters: „Ich kenne nichts anderes. Ich bin in diesen Beruf hineingeboren und in diese Arbeit reingewachsen, und es macht Spaß.“ Vor zwei Jahren ist ihre Tochter Celina fix in das Geschäft ihrer Eltern eingestiegen. Ihre Großmutter Hertha Keinrath dazu: „Es ist ein anstrengender Beruf, aber man ist sein eigener Chef. 8-Stunden-Tage kennen wir nicht, und während der Saison hat man keine freien Tage. Doch im Winter kann man sich regenerieren.“ Die Familienbande sind stark, bei Problemen, egal welcher Art, hält die Familie wie auch die Großfamilie zusammen, und es wird einander geholfen. Ignaz Hirsch sen. kann stolz auf seine Nachfahren sein. Ringelspiel und Kirtag, das hat Tradition. Schausteller pflegen diese Tradition schon, seit es Kirtage gibt. Und der erste Kuss, das erste Händchenhalten, das hat auch noch heute auf einem Ringelspiel seinen Platz. Womit sich noch immer bewahrheitet: Schön ist so ein Ringelspiel.